Realasie

Realismus bleibt am Boden,
läuft dort immer stur gradaus.
Zurückzublicken ist verboten,
vorauszuschauen ist ein Graus.

Phantasie fliegt durch die Lüfte,
schaut voraus, sieht Möglichkeiten,
schnuppert längst vergangne Düfte,
will nicht auf dem Boden bleiben.

Realismus denkt „Was soll das?
Sinnlos durch die Luft zu fliegen.
Das find ich schon ziemlich krass,
weil unten doch die Fakten liegen!“

Phantasie ruft plötzlich „Obacht!
Ich seh was auf Deinem Weg,
Weiter vorne ist ein Schacht,
geh nach links, da ist ein Steg!“

Realismus tut verstört,
wie die Phantasie ihm sagt,
und er findets unerhört,
weil ihn stets ein Zweifel plagt.

Als er dann den Steg erreicht,
und den Schacht sieht, den er mied,
bedankt er sich bei ihr sogleich,
weil sie ihm das Loch verriet.

Phantasie fliegt hoch und heiter,
als ein Wind sie jäh erfasst
und er zerrt sie immer weiter,
was ihr überhaupt nicht passt.

Realismus sieht das Elend
und nimmt schnell das Seil zur Hand
das er bei der letzten Panne
mit der Phantasie verband.

Dieses zieht er hurtig ein,
holt die Phantasie herab.
Sie zittert etwas, wirkt ganz klein,
dankt dem Retter nicht zu knapp.

So machen beide ihren Weg,
von der Wiege bis zum Sarg,
die eine fliegt, der and’re geht,
und zusammen sind sie stark.